In Bayern werden immer mehr Neubaugebiete erschlossen und mehr Flächen versiegelt. Dabei könnte man, vor allem in den Innenstädten, häufig Wohnraum wiederbeleben
Die Villa von Ulli-Georg Scheuenstuhl. Der Ingenieur wollte das über 100 Jahre alte Haus renovieren und bestehenden Wohnraum neu beleben, doch die Stadt Ansbach und der Bezirk Mittelfranken spielen nicht mit. (Credit: Franziska Simon)
Entschlossen öffnet Ulli-Georg Scheuenstuhl das rostige Gartentor zu seinem Grundstück nahe der Ansbacher Innenstadt. Wilder Holunder, Brombeeren und Rosen wuchern über das Tor und den Weg zur verfallenen Haustüre. Sie ist von innen zugenagelt. Vor vier Jahren kaufte er das knapp 1.500 Quadratmeter große Grundstück samt Haus dem Bezirk Mittelfranken ab. Eine Villa, die früher ein Gebäude der Bayerischen Hypotheken- und Wechselbank war und deren abblätternde Fassade heute ergraut ist. Einige Fenster sind eingeschlagen, Stromkabel hängen lose vom Dach. „Das ist ein schönes Beispiel, wie man Baumaßnahmen verhindert“, sagt Scheuenstuhl. Er wollte renovieren und insgesamt sechs große und einige Einzimmerwohnungen in dem 1908 erbauten Haus unterbringen. 2017 reichte er den Bauantrag ein und bekam eine Absage. Grund war das Fehlen einer Grundstückszufahrt. Im Exposé des Bezirks war diese zwar erkennbar, tatsächlich gibt es aber keine Möglichkeit das Grundstück anzufahren. Bauarbeiten sind so unmöglich. Das Haus bleibt also vorerst leer.
Hohe Zahl an leerstehenden Häuser in der Ansbacher Innenstadt
„Die Hausbesitzer, vor allem in der Altstadt, sind oft sehr alt“, sagt Immobilienmaklerin Hannelore Schleinkofer, „und die Kinder wollen es nicht.“ Allein in der Ansbacher Innenstadt gibt es aktuell 61 Leerstände. Potentielle Häuser und Wohnungen, in bester Lage, die nicht genutzt werden. „Wir möchten ja etwas dagegen machen“, sagt Anja Lautenbacher vom Stadtbau Ansbach. Ein Eigenbetrieb der Stadt, um alten Wohnraum neu aufleben zu lassen. Was genau, kann sie aber nicht sagen.
Um ins Haus zu kommen, kämpft sich Scheuenstuhl durch den verwucherten Vorgarten zur Hintertür. Drinnen ist es kühl, Licht scheint durch die kaputte Tür und die dreckigen Fenster. Die feinen Strahlen lassen die Baustelle heimelig wirken. „Ich habe das Objekt gekauft, weil ich Wohnraum schaffen will“, sagt der etwa zwei Meter große Mann. Er lehnt am geschmiedeten Treppengeländer und streicht über seinen weißen Bart.
Von innen sieht das Haus noch gut aus. Eine Renovierung ist notwendig, aber der Aufwand würde sich in Grenzen halten. Oft kommen ungebetene Gäste vorbei und lassen dann „Geschenke“ da. (Credit: Andreas Dürr)
Neuversiegelung statt Wiederbelebung
Laut dem Bayerischen Landesamt für Umwelt waren im Jahr 2000 rund 47 Prozent der bayerischen Böden versiegelt. 15 Jahre später waren es vier Prozent mehr. Das sind über 6.000 Fußballfelder neu versiegelte Fläche pro Jahr. Durch das Versiegeln der Erde kann Wasser nicht mehr aufgenommen und gespeichert werden, wodurch das Risiko für Überschwemmungen steigt. Zusätzlich heizen sich Asphalt und Steine im Sommer auf, geben ihre Wärme ab und treiben so die Temperaturen weiter nach oben. „Die Vermieter brauchen das Geld nicht“, sagt Schleinkofer, „sie öffnen die Fenster zweimal am Tag, damit nicht auffällt, dass sie einen Leerstand haben.“ Außerdem gebe es zu viele Vorschriften, um denkmalgeschützte Altbauten zu sanieren.
Von innen sieht die Villa besser aus. Bunt geflieste Bäder, hohe Decken und verzierte Türen. Kletterpflanzen wachsen durch die Fenster. „In erster Linie liegt es am Bezirk Mittelfranken und in zweiter an der Stadt Ansbach“, sagt Scheuenstuhl. Es sei zu einer Abmachung zwischen den drei Parteien gekommen, um die Zufahrt nachzurüsten. Diese ist aber, wegen fehlender finanzieller Mittel der Stadt, geplatzt. „Es gibt definitiv eine Nachfrage nach Wohnraum, die nicht gestillt werden kann“, sagt Schleinkofer. Trotzdem werden viele alte Häuser sich selbst überlassen und neue Baugebiete ausgeschrieben.
Rund um Ansbach sind weitere drei Neubaugebiete geplant. Es werden also neue Straßen, Anschlüsse und Fundamente gebraucht, die den Boden verschließen. Sobald eine Fläche einmal versiegelt wurde, gibt es keine Chance mehr, sie in ihren ursprünglichen Zustand zurückzuversetzen. Es kommt zu einem dauerhaften Verlust von Lebensraum von Pflanzen und Tieren. Wie lange Scheuenstuhl noch auf eine Einfahrt warten muss ist unklar. Er hat den Bezirk Mittelfranken verklagt. „So wie es aussieht, wird das Haus noch länger leer stehen“, sagt er, schließt die Hintertür seiner Villa ab und kämpft sich durchs Dickicht zurück zum Gartentor.
von Franziska Simon
Laut dem Bayerischen Landesamt für Umwelt waren im Jahr 200 rund 47 Prozent der
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bayerischen Böden versiegelt. 15 Jahre später waren es vier Prozent mehr. Das sind ü
ber 6000 Fußballfelder neu versiegelte Flächen pro Jahr. Durch das Versiegeln der Erde kann Wasser nicht mehr aufgenommen und gespeichert werden, wodurch das Risiko für Überschwemmungen steigt. Zusätzlich heizen sich Asphalt und Steine im Sommer auf, geben ihre Wärme ab und treiben so die Temperaturen weiter nach oben.
„Die Vermieter brauchen das Geld nicht“, sagt Schleinkofer, „sie öffnen die Fenster zweimal am Tag, damit nicht auffällt, dass sie einen Leerstand haben.“ Außerdem gebe es zu viele Vorschriften, um denkmalgeschützte Altbauten zu sanieren.
Von innen sieht die Villa besser aus. Bunt geflieste Bäder, hohe Decken und verzierte Türen. Kletterpflanzen wachsen durch die Fenster. „In erster Linie liegt es am Bezirk Mittelfranken und in zweiter an der Stadt Ansbach“, sagt Scheuenstuhl. Es sei zu einer Abmachung zwischen den drei Parteien gekommen, um die Zufahrt nachzurüsten. Diese ist aber, wegen fehlender finanzieller Mittel der Stadt, geplatzt. „Es gibt definitiv eine Nachfrage nach Wohnraum, die nicht gestillt werden kann“, sagt Schleinkofer. Trotzdem werden viele alte Häuser sich selbst überlasse
n und neue Baugebiete ausgeschrieben. Rund um Ansbach sind weitere drei Neubaugebiete geplant. Es werden also neue Straßen, Anschlüsse und Fundamente gebraucht, die den Boden verschließen. Sobald eine Fläche einmal versiegelt wurde, gibt es keine Chance mehr, sie in ihren ursprünglichen Zustand zurückzuversetzen. Es kommt zu einem dauerhaften Verlust von Lebensraum von Pflanzen und Tieren.
Wie lange Scheuenstuhl noch auf eine Einfahrt warten muss ist unklar. Er hat den Bezirk Mittelfranken verklagt. „So wie es aussieht, wird das Haus noch länger leer stehen“, sagt er, schließt die Hintertür seiner Villa ab und kämpft sich durchs Dickicht zurück zum Gartentor.
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