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Flächenfresser Auto

Aktualisiert: 3. Juni 2020

Seit Jahrzehnten versucht die Stadt Nürnberg ihren Autoanteil zu verringern. Immer wieder scheitert sie an ihren eigenen Zielen. Dabei könnte der Stadtraum viel sinnvoller genutzt werden.


Roland Brücher mit seinem Lastenrad an einer der wenigen grünen Flächen am Nürnberger Plärrer. (Credit: Ben Lauerer)


Mit brummenden Motoren stehen die Autos an der sechs-spurigen Kreuzung. Die Ampel schaltet auf grün. Die Kolonne setzt sich in Bewegung, der Lärmpegel steigt. Eine halbe Minute vergeht, bis wieder Ruhe einkehrt. Die Fußgänger-Ampelschaltung wechselt. Eine Fahrradfahrerin versucht verzweifelt, die Kreuzung zu erreichen und gleichzeitig ihre fünf Kinder im Auge zu behalten. Slalomfahrend bewegen sie sich an den Fußgängern vorbei und gelangen schließlich auf die andere Straßenseite.


Autogerechtes Bauen nach dem Zweiten Weltkrieg


Ein typisches Bild in deutschen Innenstädten. Jahrzehntelang hat das Auto den Vorrang bekommen. Auch der Plärrer in Nürnberg ist so eine Kreuzung. Mit seinen in grau gehaltenen Fassaden und der farblich angepassten S-Bahn-Station in der Mitte des Platzes, gehört er eher zu den unbeliebten Ecken in Nürnberg. „Der Plärrer ist so ein typischer Verkehrsknotenpunkt. Überall Straße, wer genauer hinsieht, sieht auch Fußwege“, sagt Roland Brücher. „Im Sommer fahren hier viele Autofahrer im Kreis. Das ist hier ganz beliebt, sonst ist er halt Straße“. Seit zehn Jahren ist Brücher Gründungsmitglied bei „Bluepingu“. Der Verein engagiert sich für eine soziale und nachhaltige Entwicklung in Nürnberg.


Der Parkingday soll das Problem aufzeigen


Seit 2015 veranstaltet Bluepingu mit dem Verkehrsclub Deutschland den Parkingday, um auf den großen Platzbedarf von Autos aufmerksam zu machen. Dazu löst der Veranstalter ein Parkticket und nutzt die entstandene „erkaufte" Fläche anschließend wie er möchte. So entwickelte sich aus fünf Parkplätzen an der Königsstraße ein Veranstaltungsort für einen Cello-Spieler, Bastelaktionen und eine Buchlesung. Die Besucher des Parkingdays sahen schnell, wie platzraubend Parkplätze sein können.


Entgegengesetzte Stadtplanung. Links: Beim Steinbühler Tunnel kollidieren immer wieder Radfahrer mit Fußgängern. Rechts: In der Gibitzenhofstraße verbreitert sich der Fahrradweg. (Credit: Ben Lauerer)


Zahl der Autos in der Innenstadt geht zurück


Dabei nutzt der typische Bewohner von Nürnbergs Innenstadt sein Auto eher wenig. Nur drei von fünf Fahrzeugen werden im Durchschnitt täglich bewegt. Wenn es zum Einsatz kommt, sitzen bei einer durchschnittlichen Autofahrt nur ein bis zwei Personen im Fahrzeug. In einer U-Bahn finden hingegen bis zu 600 Fahrgäste gleichzeitig Platz. Angebote wie Carsharing, Leihfahrräder und Lastenradförderungen sorgen zwar dafür, dass der zurückgelegte Weg mit dem Auto innerhalb der Stadt leicht rückläufig ist - „Das für Nürnberg nach wie vor dominante Problem, bleibt aber der Pendelverkehr“, sagt der Planungs- und Baureferent Daniel Ulrich „Die extrem komfortable Infrastruktur für Autofahrer sorgt dafür, dass sie gar nicht erst auf die Idee kommen, den ÖPNV zu nutzen, um aus dem Umland in die Stadt zu fahren.“ So passieren täglich 600.000 Autos die Stadtgrenze, die irgendwo abgestellt werden müssen. Maßnahmen, wie eine Bepreisung des Parkraums, sollen für Entlastung sorgen. In der Altstadt darf bereits nur noch mit einem Ticket geparkt werden. Eine autofreie Stadtplanung hält Ulrich für sinnlos Die Idee kam alle 20 Jahre mal wieder auf, führte aber nicht zum Erfolg, weil die Leute am Ende dann doch wieder ein Auto kaufen“. Stattdessen sollen Tiefgaragen in den neuen Stadtteilen mehr Platz bringen.


Was früher neue Möglichkeiten brachte, steht jetzt im Weg


Reichlich Diskussionsstoff bringt der Ausbau des Frankenschnellweges. Das Projekt soll schätzungsweise 500 Millionen Euro kosten. Staus sollen durch den Umbau verringert werden. „Man kann nicht den ÖPNV fördern, aber zeitgleich einen Ausbau des Frankenschnellwegs voranbringen“, kritisiert Prof. Harald Kipke, Mobilitätsforscher an der TH Nürnberg. Er sieht im Ausbau einen Widerspruch zu den gesteckten Zielen und fürchtet, dass durch die Umgestaltung nur noch mehr Autos in die Stadt gelangen. Nach Kipke müsste konsequenter gehandelt werden. Das Auto darf bei den Planungen keine allzu große Rolle mehr spielen. Was früher neue Möglichkeiten brachte, steht jetzt im Weg. Zu viel wertvolle Stadtfläche geht auf Kosten der Fußgänger verloren, um die Fahrt bis vor die Haustür zu ermöglichen. Die Ansätze etwas zu ändern sind vielseitig. Gelingt der Umstieg, wird der Stadtbewohner schnell vergessen, welchen Nutzen das Auto mal gehabt haben soll. Kipke sieht zuversichtlich in diese Richtung „Wir würden unsere Städte wahrscheinlich nicht mehr wiedererkennen“.


Einige Bespiele, wie sich Plätze in Nürnberg umgestalten lassen (Der Regler im Bild kann verschoben werden)


Rathausplatz in 1987↔︎2018


Wilhelm-Spaeth-Straße/Schwanhardtstraße 1985↔︎2018


Kornmarkt Richtung Jakobsplatz 1970↔︎2018

Quelle Bilder Vorher-Nachher-Slideshow:

Bilder aus 2018: Hugo Walser, Verkehrsplanungsamt Stadt Nürnberg

Stadtansichten damals: Stadtarchiv und Stadtplanungsamt Nürnberg


Von Ben Lauerer


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